Geschichte der Bauern

Aufständischer Bauer, Holzschnitt von 1522Schaut man sich die Berufe meiner Vorfahren an, wird schnell deutlich, dass je mehr man in der Vergangenheit zurückgeht, fast nur noch bäuerliche Berufsbezeichnungen zu finden sind. Das liegt daran, dass bis ins Mittelalter 80 bis 90 % der Bevölkerung Bauern waren, da einzig die Landwirtschaft die existenziellen Bedürfnisse der Menschen decken konnte. Das Land wurde damals noch in einfacher Gras-Feld-Wirtschaft bewirtschaftet, wobei nur geringe Erträge und kaum ein Überschuss erzielt wurde. Die Bauern waren also Selbstversorger. Ab dem Hochmittelalter setzte hier jedoch durch die Einführung des Schwertpfluges und der Dreifelderwirtschaft eine Entwicklung ein, die zu einer Bevölkerungsexplosion führte. Der Anteil der Bauern an der Bevölkerung nahm ab, gleichzeitig kam es zu einer steigenden Siedlungsdichte. Es wurden sogar planmäßig Siedlungen angelegt (Rodungshöfe, Hagen-Siedlungen). Im Spätmittelalter (ab Mitte 14tes Jahrh.) starb etwa ein Viertel der Bevölkerung an der Pest, ganze Landstriche wurden entvölkert, die Getreidepreise und die Wirtschaft brachen völlig ein. Während des Landesausbaus kultivierter Boden viel wieder brach. Durch die sich stetig verschlechternden Situation der Bauern kam es im 16ten Jahrh. zu den Bauernkriegen, schließlich zum Dreißigjährigen Krieg.
Später nahm die Anzahl der Bauern, die eigenes Land bewirtschafteten, immer mehr ab. Mit der Revolution 1848 wurde die alte Agrarverfassung abgeschafft und mit ihr auch die Grund- und Gerichtsherrschaft von Adel und Kirche. Die Bauern waren nun zwar frei, jedoch meistens ohne Kapital und damit in Zinsknechtschaft gegenüber den Großgrundbesitzern. Seit diesem Zeitraum sind sie zu stetiger Rationalisierung gezwungen, um gegen die Grundbesitzer und später im Wettbewerb der aufstrebenden Wirtschaft zu bestehen.
Zum besseren Verständnis der damaligen Verhältnisse sind nachfolgend einige Ausführungen zum sich verändernden Landrecht und schließlich zu den heute eher fremd klingenden Berufsbezeichnungen zu finden. In einigen Regionen Deutschlands herrschten dabei bestimmte Besonderheiten, auf die sofern sie meine Vorfahren betrafen auch eingegangen werden soll, z.B. in Schlesien oder in Westfalen.

Landrecht

Die Germanen als erste Siedler im deutschen Raum mit ihren vielen Volksstämmen begründeten ihre Herrschaft über die Untertanen auf persönliche Beziehung, d.h. der Sippenführer beherrschte direkt seine Sippenmitglieder. Das Land wurde gemeinschaftlich genutzt. Nach Auflösung der Sippenverbände blieb das auch weiterhin so, in den Dorfgemeinden wurden durch Absprachen und Nutzungsregelungen der Boden in den Marken kollektiv genutzt (Allmende). Das änderte sich mit dem zunehmenden römischen Einfluss, der die "Diskriminierung" (= Trennung von Stadt und Land) vorantrieb. Das Königtum setzte sich durch, wobei die Herrscher ihren Einfluss nun nicht mehr persönlich geltend machten, sondern über den Grund und Boden (Feudalismus). Die Könige erhoben Steuern auf den Boden und vergaben deren Nutzung als Lehen an Vasallen, die Befestigungsanlagen und Burgen zur Verteidigung angelegten. Die Dorfgemeinden wurden in Fronhofsverbände umgewandelt, wobei die Bauern in Abhängigkeit zu den Vasallen gerieten (Villikation). Die Bauern wurden dadurch an den Boden gebunden und wurden halbfrei oder unfrei, ihnen blieb nur das Eigentum von Haus und Inventar. Es wurde ihnen zwar die Nutzung des Bodens zugesprochen, doch mussten sie dafür Abgaben und Frondienste leisten, wodurch sie für sich selbst nur das Nötigsten erwirtschaften konnten.
Ab dem 13ten Jahrh. wurde wegen der aufwendigen Verwaltung die Villikation von der Grundherrenschaft abgelöst. Dabei verlehnten die Vasallen und auch die Kirche Teile ihres Grundbesitzes an den Adel oder an Vögte, die als Grundherren die Höfe nach dem Meierrecht an die Bauern verpachteten. Im Prinzip war ein Meier ein Pächter auf Zeit. Er musste das Nutzungsrecht an sämtlichem Grund und Boden (Ackerland, Weideland und auch der Grund, auf dem die Hofstelle stand) durch den sog. Weinkauf vom Grundherren erwerben, der etwa die Höhe einer Jahrespacht entsprach. Zunächst musste der Meier dabei eine Eidesformel aufsagen, ab dem 16. Jahrh. wurde ihm dann der Meierbrief oder auch Winnbrief ausgehändigt, der ihn unter anderem zum Tragen der Hoflasten verpflichtete. Nach Ablauf der Zeitpacht oder beim Ableben des Meiers musste der Meierbrief erneut erworben werden.
Die Pacht (Erbzins) wurde meist in Form des Zehnten (Kornzehnter, Schmalzehnter) erhoben, d.h. 10 % der Kornernte, des Viehbestandes und auch von anderen Erträgen. Darüber hinaus war der Meier verpflichtet, Spann- und / oder Handdienste für den Grundherrn zu leisten. Er musste für eine festgesetzte Anzahl von Tagen dem Grundherrn in Form von Fuhrdiensten, Botengängen, Wachdienst oder ähnlichem zur Verfügung stehen. Dazu kamen noch andere Abgaben wie z.B. der Hemd- oder Stiefeltaler und Sondersteuern wie der Sterbfall (Gebühr im Falle des Todes, teils noch bis ins 18te Jahrh. üblich).
Häufig war der Meier gegenüber dem Grundherrn "schollenpflichtig", d.h. für Heirat oder Übergabe des Hofes an den Erben brauchte er dessen Zustimmung. Er war persönlich nicht frei und der Eigenbehörigkeit unterworfen, die in vielen Landesteilen noch aus der Zeit der Fronhofsverbände überdauert hatte. Das bedeutete Erbuntertänigkeit (Schollenpflicht, Gutshörigkeit und Gesindezwang der Kinder) bis hin zu Leibeigenschaft (darüber hinaus Frondienstpflicht, Abgabenpflicht und grundherrliche Gerichtsmacht).

Feldarbeiten, Mittelalterlicher HolzschnittDie Grundherren waren bestrebt, große Höfe zu teilen, da dadurch mehr Abgaben fällig wurden. So entstanden aus den Vollhöfen Halbhöfe und später Viertelhöfe. Die Gefahr war jedoch auch gegeben, dass die Höfe durch permanente Teilung so klein wurden, dass sie nicht mehr zu bewirtschaften waren und schließlich keinen Ertrag mehr brachten. Deshalb wurde vielerorts später ein Teilungsverbot seitens des Landesherrn ausgesprochen.
Ab dem 17ten Jahrh. wurde aus der Zeitpacht eine Erbpacht, das Lehnsrecht ging also auf den Hoferben über. Erbpacht ist dabei nicht im Sinne von Eigentumsrecht zu verstehen, obwohl dem Erbpächter in der Regel ein Vorkaufsrecht eingeräumt wurde. Mit Einführung der Erbpacht wurde das Nutzungsrecht also auch veräußerlich, der Bauer konnte sich von sämtlichen Verpflichtungen "leibfrei" kaufen. Die Bauern nannten sich dann Frei- oder Selbstbauern (siehe auch Schlesisches Landrecht).
In Nordwestdeutschland galt bei der Vererbung meist das Anerbenrecht, also der erstgeborene Sohn, selten Tochter übernahm den Hof, während (männliche) Nachgeborene abgefunden wurden. Ihnen blieb die Möglichkeit, auf eine andere Hofstelle einzuheiraten, einen Hof durch Kauf zu erwerben oder eine Arbeit als Knecht oder Magd anzutreten. Mit der letzten Möglichkeit sanken sie jedoch gesellschaftlich zum Gesinde ab, das kaum mehr einem Stand zuzuordnen war. Sie hatten weder Eigentum noch gesicherte Rechte und schlugen sich oft mit Saisonarbeit durch oder versuchten mit Abwanderung in Siedlungsgebiete oder ins städtische Handwerk eine neue Existenz aufzubauen.
In Südwestdeutschland dagegen galt fast überall das Minorats- oder Jüngstenrecht. Das heißt, der jüngste Sohn übernahm den Hof im Falle des Todes oder des Auszuges (Ruhestand) vom Vater, jedoch nicht zum vollen Teil (Realteilung). Die Geschwister verblieben auf der Hofstelle, gründeten hier eigene Haushalte. Das führte zu einem starken Zerfall in Kleinstparzellen, so dass man ab dem 19ten Jahrh. dazu überging, die geschlossene Hofstelle durch sog. kindlichen Kauf auf eines der Kinder zu übertragen, wobei der Preis stark unter dem tatsächlichen Wert angesetzt wurde.

Bäuerliche Berufe

Amtsmeier
Dies waren Großbauern mit besonderen Rechten, oft Vögte oder adelige Grundherren. Sie zogen z.B. von der sog. Hufe (ihnen zugeordnete Kleinbauern) den Zehnten oder andere Abgaben ein. Nach Abschaffung der Villikation entfielen diese Rechte allerdings und der Amtsmeier wurde zu einem gewöhnlichen, wenn auch sehr wohlhabenden Vollmeier.
Meier (Vollmeier)
Der Bauer leistete seine Abgaben, bzw. Steuern in Form dem Zehnten und später bis zu 1/3 seines Rohertrages sowie durch geringe Dienste wie z.B. Handdienste oder Spanndienste. Er war mit einem Pferdegespann (4 Pferden) dienstverpflichtet, deshalb wurde er auch Vollspänner genannt.
Halbmeier
Sie entstanden durch Teilung der Meierhöfe. Der Bauer war mit nur einem halben Pferdegespann dienstverpflichtet, also mit 2 Pferden und wurden deshalb auch Halbspänner genannt.
Kötter
Sie zählen zur sog. Nachsiedlerschicht, sind also erst ab dem Spätmittelalter zu finden. Sie entstanden durch Abspaltung von einem Meierhof, konnten aber ähnlich viel Land umfassen. Je nach Größe oder anderen Kriterien hießen sie Großkötter, Mittelkötter, Pferdekötter, Straßenkötter (Hof lag an einer Straße) oder auch Erbkötter (gegründet durch Hoferben). Später entwickelten sich auch sog. Kleinkötter oder Markkötter, die auf den Marken oder Kämpen gegründet wurden. Wenn diese auf Grundstücken am Rand von Dörfern und Höfen entstanden, bezeichnete man sie als Brinksitzer (Brink = Grenze).
Kötter unterlagen bestimmten Einschränkungen gegenüber den Meiern, oft wurden z.B. Viehweiden beschränkt. Sie besaßen auch kein Pferdegespann, waren also nicht spannfähig und damit von den Meiern abhängig.
Colon
Colon oder auch Kolon war ab dem Mittelalter die allgemeine Bezeichnung für einen bäuerlichen Ansiedler, Pächter oder dergleichen. In Deutschland war er meist frei oder halbfrei.
Einlieger
Landarbeiter beim Schärfen der Sense Sie durften keinen eigenständigen Haushalt führen, pachteten oft ein Nebengebäude auf einen Meier- oder Kötterhof mit etwas Land. Man kann sie deshalb auch als ‚Mieter' bezeichnen. Der Pachtzins wurde teils in bar, teils durch gering entlohnte Arbeit geleistet. Besonders ab dem 19ten Jahrh. nahm der Pachtzins jedoch sehr stark zu, die Einlieger mussten durch Nebenerwerb dazuverdienen. Verbreitet war die sog. Hollandgängerei (Saisonarbeit in den Niederlanden, z.B. Mähen, Torfstechen) und auch das Leinengewerbe (starke Ausprägung im Ravensburger Land).
Einlieger hatten noch bis ins 18te Jahrh. oft keinen eigenen Familiennamen, sondern wurden nach den Namen des Hofes benannt (Hofname).
Andere Bezeichnungen:
Inlieger, Beisaß / Beisasse, Gärtner, Häusling, Heuerling
Eine Sonderform stellten die Kosatten dar, deren Verträge nur befristet galten und deren Einkommen dadurch nur saisonal gesichert war. Sie wechselten häufig den Wohnsitz, ihre Mobilität beschränkte sich aber auf einen relativ kleinen regionalen Raum.

Hoppenplöcker
Diese Kleinbauern konnten nur ganz wenig Ackerland bestellen, hatten wie die Einlieger keinen eigenen Haushalt, sondern nur eine kleine Wohnung. Ihr hauptsächliches Einkommen erzielten sie durch das Hopfenpflücken (Namensgebung) und das Pfählen der Hopfenstangen (im Lipperland verbreitet). Hinzu kam z.B. das Scheren der Schafe oder das Jäten und Raufen von Flachs.
Interimswirt
Diese Männer heirateten nach dem Tod des Colon in ein Colonat (Hofstelle) ein, hatten die vollen Rechte aber nur bis zum Antritt des Anerben.
Leibzüchter
Heute könnte man einen Leibzüchter auch als Ruheständler bezeichnen. Er erhielt ein lebenslanges Nutzungsrecht an einer Wohnung oder einem Häuschen (Altenteil, Leibzucht) und die ebenfalls lebenslange Versorgung mit Naturalien / Geld für sich und seine Frau (oder später Witwe) bei der Übergabe des Hofes an den Erben. Bei schollenpflichtigen Bauern bedurfte der Übertritt in die Leibzucht der Zustimmung des Grundherrn. Außerdem verlor er dabei bestimmte Rechte.
Es gibt eine ganze Reihe von Synonymen für den Leibzüchter:
Altenteiler, Altbauer, Altsitzer, Altvater, Austrägler, Auszügler, Leibgedinger, Pfründner

Landrecht in Schlesien

Im Wesentlichen entsprechen die bäuerlichen Verhältnisse den oben genannten, jedoch herrschten hier eine eigene Nomenklatur und kleinere Besonderheiten. Die Hofstelle wurde allgemein Rustikalstelle genannt, nach dem römischen rustici, der Bezeichnung für die Landbewohner im Gegensatz zu den Stadtbewohnern, den cives. Die Bauern wurden demnach als Stellenbesitzer bezeichnet, die folgendermaßen klassifiziert wurden:
Bauern hatten neben Haus, Hof und Garten auch ausgedehntes Ackerland und Pferde- und Ochsengespanne zu dessen Bewirtschaftung. Waren sie mit Spanndiensten dienstverpflichtet, könnte man sie auch als Vollspänner bezeichnen.
Die Gärtner bewirtschafteten weit weniger Ackerland als die Bauern und darüber hinaus besaßen sie keine Pferde. Dienstverpflichtete Gärtner leisteten darum zumeist Handdienste. Sie entsprechen den Köttern. Je nach Besonderheit der Stelle wurden auch hier besondere Gärtner unterschieden wie Halbgärtner, Feldgärtner, Auengärtner, Erntegärtner, Hofegärtner oder Robotgärtner. Mit Dreschgärtner / Dienstgärtner waren Stelleninhaber gemeint, deren Besitz so klein war, dass sie die gesamte Ernte des Grundherrn gegen einen geringen Anteil am Rohertrag einbringen mussten. Sie stammten meist von polnischen Gutsarbeitern ab und unterlagen deshalb einem für sie ungünstigeren Besitzrecht.
Die Häusler besaßen neben Haus und Hof so gut wie kein Ackerland und konnten deshalb nur Kleinvieh halten. Oft bewirtschafteten sie die Häuslerstelle im Nebenerwerb, verdienten sich durch Handwerk oder Tagelohn dazu.
Neben dieser Klassifikation wurden die Stellenbesitzer dazu in dienstverpflichtete und freie Bauern, Gärtner und Häusler (Freibauer, Freigärtner, Freihäusler, Zinshäusler) unterschieden. Die dienstverpflichteten Stelleninhaber mussten ihre Grundschuld durch Frondienste (Hand- oder Spanndienste) an den Grundherren ableisten, während die Freien nicht zu Diensten herangezogen wurden, sondern ihre Schuld mit Zinsen und Naturalabgaben tilgten. Sie waren jedoch persönlich nicht unbedingt frei, wie die Bezeichnung vermuten ließe.
Später wurde die Klassifikation nach Bauer / Gärtner / Häusler aufgehoben und es wurde nur noch der Begriff Freistellenbesitzer oder einfach Landwirt verwendet.

Landrecht in Westfalen

Die Allmende wurde im Westfälischen 'Esch' genannt. Darüber hinaus sind hier noch andere Besonderheiten zu finden, wobei nach Südwestfalen und (Nord-)Ostwestfalen unterschieden werden muss.
Die ursprünglichen Meierhöfe in Ostwestfalen sind fast ausschließlich aus Haupthöfen aus der Zeit der Villikation hervorgegangen. Diese größten Höfe bildeten in gewisser Weise Verwaltungsbezirke, denn die vom Grundherrn bzw. Vasallen eingesetzte Bauern waren dafür zuständig, von kleineren Höfen (Hufe) Gebühren einzuziehen. Nur diese Amtsmeier durften den Zusatz 'Meier' zu ihrem Hofnamen führen. Nach Abschaffung der Villikation wurden dann sowohl der ursprüngliche Meierhof als auch die Hufe nach dem Meierrecht vergeben.
In Südwestfalen wurden die Meierhöfe Schultenhöfe genannt, der (Amts-)Meier war der Schulte oder Schultheiß. Eine Besonderheit ist dabei im Münsterland zu finden, wo die Schultenhöfe weitgehend von der Villikation verschont geblieben sind. Es haben sich hier Einzelbesitzungen gehalten, die eigenständig wirtschafteten.

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